Dieser Beitrag entstand auf Grund des Artikels von Dr. Martin Bartonitz, „Folgen wir Ideologien, weil wir Sicherheit suchen und im Vertrauen folgen wollen? Wann ist der Mensch vollkommen?“ Tschuldigung, es könnte länger werden. Ich will mal versuchen meinen Ansatz dazustellen. Ich … Weiterlesen
Beric war von Anfang an in der DVR dabei und hat nun den Rang eines Majors (bzw. „kapetan“, wobei ich nicht sagen kann, welcher Rang dies in der dt. Armee wäre [Anm. капита́н entspricht dem deutschen Hauptmann, der einen Rang niedriger als ein Major ist – Russophilus]), der u. a. für die Ausbildung von Scharfschützen zuständig ist. In diesem 3,5 (!) stündigen Interview in seiner Muttersprache konnte er vieles erwähnen, was in den zahlreichen russ. Interviews quasi unter den Tisch gefallen ist (mMn ein sehr brauchbarer Zeugenbericht betr. der Geschichte dieses Konfliktes). Der Reporter heißt Tesa Tesanovic (T; Internetportal: Balkan Info).
T: Guten Tag liebe Zuseher! Wir befinden uns heute in Donetsk, um den legendären serb. Freiwilligen, Hrn. Dejan Beric, zu interviewen. Wie ist es überhaupt dazu gekommen; Sie in der DVR?
D: Ich habe das schon mehrmals erzählt; aber in Ordnung. Als die Krise hier begann, habe ich in Sochi gearbeitet. Jene beiden, die mich aufgefordert haben, hier mitzumachen und die mit mir bereits in Bosnien und im Kosovo gekämpft haben, kannst du leider nicht mehr kennenlernen, da sie nicht mehr unter uns weilen. Wir (Serben) stehen in der Schuld. Wenn die zu einem sagen: „Komm!“, kannst du nicht sagen „ich will nicht kommen“ oder „ich kann nicht kommen“. Die beiden haben 26 Gräber in der Republika Srpska hinter sich gelassen. Da kannst du nicht einfach „nein“ sagen. Ich habe meine Sachen gepackt und wir gingen auf die Reise. Zuerst auf die Krim, dann nach Slavansk und dann alles der Reihe nach.
T: Die Geschehnisse um die Krim und DVR versuchst du in einem Buch zusammenzufassen?
D: Ja. Es wird eine Art Dokumentarbuch, in dem ich meinen Weg von Sochi bis zum heutigen Tag festhalte, wobei bei jeder Etappe die Eindrücke eines Zeitzeugen mit einfließen werden; z. B. Sasa – mein Kommandant in Sewastopol (Gruppe „Südwind“). Er beschreibt seine Sicht des Krieges. So wird dieses Buch mehrere Autoren haben. Darunter sind nicht nur Kämpfer; sondern auch Menschen, die halfen, Donetsk am Leben zu halten. Wir haben sehr oft Menschen beschützt, die Gas- oder Wasserleitungen wiederherstellten oder den Schutt der zerstörten Häusern abtrugen etc. Auch diese Leute werden ihre Eindrücke schildern. Was mich zutiefst erschütterte waren die Emotionen und Gefühle der Frau eines Freundes, der leider bereits gefallen ist). Gefühle, die jedes Mal aufkamen, wenn ihr Mann zum Einsatz ging.
T: In der Regel werden nach einem Krieg nur die Kämpfer (Helden) erwähnt?
D: Leider ist das so. Ich kann keinen dieser Menschen, die im Hintergrund für die Sache „kämpften“, jemals vergessen. Das Buch soll zukünftigen Generationen zeigen, dass nicht nur jene, die Waffen in den Händen hielten, sich für Donetsk eingesetzt haben. Da waren dann noch z.B. Ärzte und Krankenschwestern, die bis in die vordersten Linien gingen, um uns (verletzt) zu bergen.
T: Wieviel hat dir die Kriegserfahrung aus den 90ern geholfen, sich hier zurechtzufinden?
D: Zu allererst: Serbien war nie im Krieg. Daher habe ich (offiziell) keine Kriegserfahrung (Anmk: er lächelt). Das wäre mit jedem anderen Arbeitsbereich, welcher in jeder Firma etwas anders interpretiert wird, zu vergleichen. Jedes Gebiet kämpft auf etwas andere Art und Weise. In Lugansk eine; in Donetsk eine andere und in Mariupol eine dritte. Dies hängt stark von den (kommandierenden) Leuten vor Ort ab. Also; die 90er haben mir geholfen; allerdings nicht übermäßig viel.
T: Zu Beginn des Konfliktes war es um einiges schwieriger, da euch die Flugstreitkräfte angriffen?
D: Das war nur ganz kurze Zeit; ca. 5 – 6 Monate. Dann hatten wir sie weggewischt. Wobei die Flugzeuge nicht so schlimm waren; die Helikopter allemal. Das Flugzeug kommt, läßt die Bomben fallen und ist verschwunden; also keine großen Verluste. Aber bei Helikoptern … meine Güte … da hatten wir sehr viele Opfer.
T: Du bist Scharfschütze. Wieviel Sicherheit erzeugt es in den Köpfen der eigenen Bodentruppen, wenn sie euch im Rücken wissen?
D: Ich bin kein Scharfschütze. Ich bin Späherscharfschütze. Wir gehen als erste, um die gegnerischen Scharfschützen und Maschinengewehre zu sichten. Dannach melden wir deren exakte Positionen. Bei Angriffsbeginn sollten wir dann soviele von denen ausgeschaltet haben, wie möglich, damit unsere Bodentruppen ohne größere Verluste vordringen können. Mental bringt das den Bodentruppen viel, da sie Kameraden vor sich wissen, die ihre Aufgabe erfüllen werden. Das ist schon wichtig. Es ist nicht wie in Filmen, wo aus 1.000 – 2.000 m geschossen wird. Das sind Kämpfe, die bei 400 – 500 m beginnen und man sich auf 100 m heranpirscht. Dann wirfst du dein Scharfschützengewehr weg; nimmst das Maschinengewehr und Feuer. (Anm: Einwurf von T: So nahe?) Schau, alle meine Verwundungen waren aus nächster Nähe. Bei einer hat mir der Gegner buchstäblich die Waffe an den Bauch gehalten. Auf der rechten Brust hat man mich aus 5 m durch die Schutzweste getroffen; ein weiteres Mal links im Brustbereich aus 7 – 8 m. In Samogili – wovon dir die Jungs gestern erzählt haben; Makar war damals mit – habe ich aus rd. 30 m sieben Kugeln in die Schutzweste abbekommen. Da wünscht du dir manchmal, dass sie nicht von der Weste abgefangen worden wären; sondern durchgegangen. Die sieben waren schrecklich. Das kleinere Problem ist, dass Rippen gebrochen werden; das größere – es kommt zu einer Verschiebung der Organe. Es tat sehr weh. Ein großer Vorteil ist, dass sie hier überwiegend Munition Kaliber 5.45 verwenden. Ich habe hier eine solche Patrone (min 08:30). Das sind kleine Körner. Die Munition ist einfach nicht so stark wie der sonst übliche Standard 7.62. In der Sowjetunion haben sie 7.62 verwendet. Dann haben sie die Läufe ausgetauscht. Angeblich wäre 5.45 der neue (auch nato) Standard. Keine Ahnung. Für mich persönlich: Gott sei Dank, dass sie diese Munition verwenden.
T: Zu Beginn des Konfliktes hat es Perioden gegeben, wo ihr nur wenige Vorräte hattet (Nahrung, Wasser, Munition etc.). Wie war das in der Einheit, wo du warst?
D: Zu Beginn in unserer ersten Interbrigade war es schwer. Ohne Nahrung kannst du auskommen; ohne Wasser sehr schwer. Als wir z.B. aus Slavansk weichen mußten – nachdem uns Strelkov bereits verlassen hat – mußten wir aus Pfützen trinken. Da habe ich mir den Magen verdorben. Wir mußten auf den Weg nach Donetsk durch ihr Territorium und konnten uns nur nachts bewegen. Das war ein langer und schwieriger Weg.
T: Wie hat das damals ausgesehen, wie ihr Slavansk verteidigt habt? Da war weder die ukrain. noch die DVR-Armee in vollen Zügen vorhanden.
D: Die ukrain. Armee war damals durchaus vorhanden; unsere eher nicht. Was die Reserven und Verpflegung betrifft waren wir schlecht aufgestellt. Was die Kämpfer betrifft, so hatten wir viele Freiwillige mit noch mehr Kampferfahrung (Afghanistan, Tschetschenien, Kosovo etc.). Das war enorm wichtig. Zu Waffen kommst du leicht; zu Kampferfahrung nicht. Ich bin davon überzeugt, dass die Ukraine den Konflikt damals in 3 Tagen hätte beenden können. Strelkov sagte selbst, dass er nach Slavansk mit 52 Mann kam. Um Slavansk herum waren wir noch ca. 40 Mann. Motorola war dort mit seinen 30. Alles in allem waren wir rd. 300 – 400 Mann. Die Ukrainer hatten ihre 63. Fallschirmjägereinheit (Spezialeinheit). Wie lange braucht eine Spezialeinheit, um 400 Mann komplett zu vernichten? Keine 5 Stunden. Wenn ich heute das Ganze so betrachte, meine ich, dass die Ukrainer diesen Krieg hätten beenden können. Offenbar wollten sie Rußland in den Krieg hineinziehen. Dann wäre alles weitaus schlimmer gekommen. Doch die Russen spielen es sehr klug. Das ist meine Meinung. Du hast auf der einen Seite 400 Mann und auf der anderen eine riesengroße Armee. Wie lange benötigt so eine Armee, um 400 Mann zu töten? Wir haben am Anfang sehr viel Ausrüstung von den Ukrainern gekauft; in Slavansk einen BTR (Spähfahrzeug) um 1.500 dollar. Normalerweise kostet ein Reifen [dieses] Fahrzeugs so viel. Sie haben uns also Ausrüstung verkauft, um uns die Möglichkeit zu geben, Krieg zu führen. Aus heutiger Sicht haben uns die Ukrainer, amis und brits (Geheimdienste) benutzt, um den Krieg weiter anzufachen. Nach unseren ersten Opfern sind wir schlagartig auf 3.000 Mann angewachsen. Der Aufstand begann. Die Bewohner der DVR haben Polizeistationen eingenommen. Waffen wurden organisiert. In Donetsk gibt es einen riesigen Tunnel, den wir eroberten; ein Waffenlager aus Sowjetzeiten. Mit diesen Waffen können wir jahrelang kämpfen.
T: Zu Beginn war hier noch die ukrain. Polizei und Armee?
D: Als sie noch hier waren, haben wir uns bei Bruklin zu Hause versteckt und gingen nur nachts in Aktion.
T: Bruklin hat mir gesagt, dass ihr ganz am Anfang mit Baseballschlägern und Messern unterwegs wart? Erst später habt ihr dann der Polizei Waffen abgenommen.
D: Die Polizei wird/wurde hierorts als „mussoj“ (Mist) bezeichnet. Die haben uns alles ohne Widerstand übergeben. Wir besetzten die Polizeistation in Donetsk, ohne einen Schuß abzufeuern. Wir gaben ihnen 2 Minuten zum Verlassen. Sie taten es in einer Minute. Da gab es (unsererseits) kein Heldentum. Es war so, wie es war.
T: Aber es sind vermutlich viele Polizisten übergelaufen?
D: Du wirst es nicht glauben; es war im Promillebereich. Ich kenne keinen einzigen ehem. Polizisten in unseren Reihen. Aus der Armee schon (z.B. Malisu oder Lisch; das sind Profis). Für 600 dollar haben wir z.B. 6 Maschinengewehre, 2 Scharfschützengewehre und einen Berg Munition gekauft. Es war umsonst! Wie kam es dazu? Brevno, Graf, Bruklin und ich haben eine Einheit, die ein Dorf um Donetsk hielt, aufgefordert, uns Waffen zu verkaufen. Als sie sich weigerten, haben wir 2 – 3 Wachen mit unseren Scharfschützengewehren erledigt und der Rest kam umgehend auf das ursprüngliche Angebot zurück. Im nächsten Dorf dasgleiche. Wir haben immer Wort gehalten und sie nach dem Verkauf ziehen lassen. Im dritten Dorf haben sie dann sofort eingewilligt (ohne Kampf). Die junge Armee (Grundwehrdiener) wollte nicht kämpfen. Erst als die sog. SS-Truppen kamen (Bataillon Azov u. a.) ging es los. Azov hat derart schlimme Greueltaten begangen, dass nicht einmal die amis sie unterrichten wollten, damit sie nicht mit ihnen in Verbindung gebracht werden konnten. Das sind Ultrafaschisten. Fremde (Kroaten etc.) haben sich aus rein ideologischen Gründen Azov angeschlossen. Geld ist kein Motiv. Die drüben verdienen genausoviel wie wir; rd. 200 euro/Monat. Die Kroaten sind hauptsächlich in der Artillerie. Sie sind auf facebook sehr aktiv und haben uns so einige Male ihre Koordinaten geliefert, indem sie unbedingt die Umgebung aufnehmen mußten. Das tat auch einer in Mariupol/Shirijok. Er stellte es ein als er auf Heimaturlaub war. Als er wieder in die Ukraine reisen wollte, hat man ihn nach Hause geschickt, da seinetwegen Hunderte starben. Diese „Hilfe“ gibt es (leider) auf beiden Seiten.
T: Du hast mir gesagt, dass die Ortung anhand der Mobiltelefone ein Problem darstellte?
D: Zu Beginn wußten wir nicht, wie uns geschieht. Wir laufen durch einen Wald (zw. Slavansk und Krematorsk) und kommen unter Artilleriebeschuß. Ich war zu 100% überzeugt, dass im Wald Leute sind, die ihnen die Koordinaten geben. Die Präzision des Beschusses war unheimlich. Ein Kamerad starb dabei. Dannach haben wir von dem Problem mit Mobiltelefonen gehört. Die amis haben ihnen irgendwelche Wunderapparate gegeben, mit denen sie uns orten konnten.
T: Was ist die Wahrheit bez. Strelkov? Es besteht das Gerücht, dass er euch in Slavansk verraten hätte?
D: Ich kann nur meine Sicht der Dinge aufgrund der erlebten Ereignisse schildern. Für mich war Strelkov ursprünglich ein Held. Wir sind wegen Strelkov nach Slavansk gegangen. Allerdings war Strelkov einer der ersten, die Slavansk verlassen haben. Er hat niemanden darüber informiert. Die Kosaken in Sewastopol hat er ebenfalls nicht informiert. Da sind sehr, sehr viele getötet worden. Beim Rückzug sind wir auf der Straße förmlich über deren Leichen gestolpert. Damals habe ich immer noch an Strelkov geglaubt. Es ist Krieg und da können solche Dinge einfach passieren. Als er im Juni 2014 von meinem Kommandanten Brevno verlangte, den heutigen Innenminister, Lenin und Mongolov zu töten (diese Aussage habe ich dannach am Lügendetektor wiederholt), haben wir dies verweigert. Es ist am einfachsten, jemanden zu töten. Es gibt allerdings Gerichte. Sollten sie Verräter sein, so sollte dies ein Gericht entscheiden. Brevno hat den Vorfall dem FSB weitergeleitet. Als wir einige Tage später einen Stützpunkt nahe der russ. Grenze einnahmen (Marinovka), um den Korridor für die humanitäre Hilfe aus Rußland freizumachen und Strelkov meldeten, dass die Kommandozentrale eingenommen war (sie können nachrücken), geraten wir unter Artilleriebeschuß; allerdings von beiden Seiten (ukrain. und DVR). Wir ziehen uns zurück und die Ukrainer nehmen sie wieder ein. Wir erobern die Zentrale zurück und werden erneut von unserer Artillerie beschossen und flüchten. Das dritte Mal stürmten wir den Stützpunkt mit Motorola. Motorola hat einen BTR und zwei Mann verloren und drei Verletzte (erneut aufgrund DVR Beschuß). Du siehst es, willst es aber nicht wahrhaben. Strelkov war für uns immer noch Strelkov. Grundsätzlich; Geschichten gibt es in einem Krieg viele. So auch, dass Strelkov für die Ukraine arbeitete. Ich glaube nur an das, was ich sehe. Das Faß zum Überlaufen brachte er, als er Donetsk hergeben wollte. Er gab die Anordnung, sich aus Donetsk genauso zurückziehen, wie wir es aus Slavansk getan haben und nahe der russ. Grenze in Stellung zu gehen. Die Militärführung hat den Gehorsam verweigert. Tamelan wollte Strelkov töten. Baradai, der heutige Präsident der Freiwilligen von Donbass, hat Strelkov davor bewahrt. Hätten wir uns vor der russ. Grenze eingegraben, hätten die Ukraine auch auf russ. Boden geschossen und die Russen wären in den Krieg hineingezogen worden. Ich bin überzeugt, dass es Strelkovs Ziel war, Rußland in den Krieg hineinzuziehen.
T: Du hast mir einmal einen sehr interessanten Satz gesagt: Wir kämpfen hier eigentlich auch für die Ukraine. Wie hast du das gemeint?
D: Schau. Wenn wir zurückblicken. Wir kämpfen eigentlich für die Ukraine, denn alles, was die andere Seite macht, bringt der Ukraine Probleme. Was ist passiert. Mit Beginn des Krieges haben alle größeren Unternehmen in der Region die Arbeit eingestellt. In Mariupol war z. B. Ein metallverarbeitender Gigant, den sie innerhalb von zwei Jahren nicht nur vollkommen zerstört haben; sondern sogar in seine Einzelteile zerlegt und als Altmetall verkauft haben. Die andere Seite zerstört das gesamte Land.
T: Was glaubst du, könnte es auf der anderen Seite zu Konflikten zw. den regulären Truppen und den Freiwilligen kommen?
D: Diese Konflikte sind von Beginn an eine Konstante. Wie ist Azov zu seinen Waffen gekommen? Sie töten 10 – 15 Soldaten und nehmen sich alles. Die Toten und Überlebenden lassen sie buchstäblich nackt und bloßfüßig zurück; ohne jegliche Konsequenzen. Diese Freiwilligen sind gekommen, um sich zu bereichern. Wir konnten einige von denen gefangennehmen. Sie erzählten uns, dass sie kein Geld bekämen; sondern im Falle der Einnahme von Donbass sich Wohnungen, Häuser etc. nehmen könnten (Anmk: für die Wertegemeinschaft: Honorar auf Erfolgsbasis). Das sind in der Regel Menschen, die nie etwas besaßen. Jetzt haben sie eine „Chance“ bekommen. Einer der Freiwilligen hatte bei seiner Gefangennahme anstatt des üblichen Namensschilds ein Schild mit der Aufschrift „Sklavenhalter“. Sein Ziel war es, in naher Zukunft Sklaven zu halten. 2015 hat ein Parlamentsabgeordneter vorgeschlagen, dass man Konzentrationslager für die Einwohner des Donbass bauen sollte. Da ist der „Sklavenhalter“ noch harmlos dagegen. Leider braucht diese Wahrheit die Politik (allseits) nicht. Falls sie in 20 Jahren veröffentlicht wird, wird sie kaum jemanden interessieren.
Es kam sogar öfters vor, dass uns die regulären Truppen die Koordinaten der Freiwilligen gaben oder uns einfach durchließen, damit wir mit den Freiwilligen kämpfen konnten (davor haben diese Freiwilligen einige Mitglieder der Regulären getötet und ihnen die Waffen abgenommen). Die Regulären gaben uns sogar Waffen und Munition; nur damit wir uns mit den Freiwilligen „abrechnen können“. Das alles klingt sehr irreal und abstrakt; aber es war so. Andererseits haben wir sehr viele, die sehen, dass dieser Krieg eigentlich gegen die Ukraine und dessen Volk geführt wird. Aber sie sind zu schwach. Sie kommen nicht dagegen an. Aber sie helfen auf ihre Art. Es passiert sehr oft, dass Geschosse (Granaten, Bomben) ohne Zünder oder einfach deaktiviert zu uns herüberfliegen. Sie machen zwar etwas; allerdings ohne Schaden anrichten zu wollen.
T: Wie ist generell die Motivation in der ukrain. Armee?
D: Was Artillerie betrifft; da ist sie 100%ig. Was den Nahkampf betrifft, so halten sie max. 1 Stunde durch. Dannach sind sie entweder tot oder geflüchtet. Warum sind sie so unmotiviert? Unsere Leute verteidigen deren Heimat; während die Anderen gekommen sind, um sich Vermögen anzueignen. Es kann keine bessere Motivation geben, als sein Heim zu verteidigen. Die Freiwilligen sind natürlich um einiges motivierter als die regulären Truppen. Seit Mitte letzten Jahres hast du an der Front eigentlich keine regulären Truppen mehr. Die sind in der zweiten Reihe; heben Schützengräben aus und werden – bei Bedarf – in den „Kampf geschickt“. Das sieht so aus. Die Freiwilligen, die ja nun ebenfalls zur ukrain. Armee gehören, zwingen die Regulären unter vorgehaltenen Waffen in unsere Richtung. In der Regel können diese weder vor noch zurück und werden dann von uns weggefegt. Die Bataillone arbeiten überwiegend mit Artillerie. Sie versuchen hin und wieder zu stürmen. Allerdings machen sie das sehr schlecht und haben hohe Verluste.
T: Haben die ausländ. Instruktoren der ukrain. Armee etwas beigebracht?
D: Sie haben ihnen beigebracht, mit der Artillerie sehr präzise zu treffen. Sie treffen Spitäler, Schulen, Kindergärten sehr gut. Schade, dass wir keine Zeit mehr haben, um dir den Kindergarten zu zeigen, um den ich mich persönlich kümmere. Er wurde einmal getroffen. Wir haben die Fenster erneuert. 6 Monate später wurde er erneut getroffen. Wieder alle Fenster draußen.
T: Welche Art von Mensch schießt auf Kindergärten? Das ist kein militär. Ziel.
D: Das sind ja auch keine Soldaten. Ein Soldat kämpft gegen einen anderen Soldaten. Ihr Ziel hingegen ist es, die ansässigen Menschen zu vertreiben. Sie wollen etwas ähnliches veranstalten, wie es die Krajinaserben in Kroatien erlebtem. Nur; hinter dem Donbass steht Rußland, während die Krajina und Republika Srpska von Serbien verraten wurde. Wenn ich von Serbien spreche, so meine ich nicht das serb. Volk sondern serb. Politiker. Hier weiß das Volk, dass Rußland hinter ihnen steht. Kurz bevor du gekommen bist, hatten wir einen sehr schweren Angriff; für mich der schwerste überhaupt – seit 2014. Sie haben mit schwerer Artillerie 24 Stunden auf die Stadt geschossen. Nonstop. Ein Lichtblick ist, dass es immer weniger zivile Opfer gibt, da sie in der Regel nur nachts zuschlagen und die Bevölkerung sich bei Dämmerung bereits in Keller bzw. Unterschlüpfe zurückzieht.
2014 waren vor Ort sehr wenige Menschen anzutreffen. Der Großteil ist nach Rußland geflohen. Allerdings kamen sie (großteils) wieder zurück, da sie einsahen, dass ihre einzige Chance darin besteht, ihre Heimat zu verteidigen.
T: Du hast oft mit ukrain. Gefangenen sprechen können. Was ist hauptsächlich deren Geschichte?
D: Na die üblichen Geschichten. Keiner wird dir erzählen: „Ich bin gekommen, um euch zu töten“. Man erzählt, was die Gegenseite hören möchte. Ich weiß, wie das ist.
T: Du wurdest ebenfalls gefangengenommen. Ich weiß, du sprichst nicht gerne darüber.
D: Nein, das habe ich so nicht gemeint. Ich spreche nicht gerne über das, was an vorderster Front geschah. Ich sagte zu dir: „Frage die anderen. Die sollen es dir erzählen.“ Die Zuseher werden meinen: „Der erzählt irgendwelche Märchen.“ Als mir Sachartschenko ein neues Gewehr schenkte, habe ich an einem Tag 26 Scharfschützen erledigt. Da werden jetzt viele sagen: „Das ist utopisch.“ Es lag nicht daran, dass ich so gut war; sondern die so schlecht. Über solche Dinge möchte ich nicht sprechen. Was die Gefangenschaft betrifft, so habe ich kein Problem damit.
Ich war damals verwundet und mein Freund Graf wollte mich nach Lugansk in die Klinik bringen. Wir schlossen uns einen Konvoi an. In der Nähe des Lugansker Flughafens; ein Panzer vorne – einer hinten. Wir hatten keine Waffen; fertig. Alle Gefangenen – außer uns – waren vom Bataillon Vostok. So hielten sie uns – zu unserem Glück – ebenfalls für Mitglieder des Bataillons. Sie haben uns alle dem (ukrain.) Bataillon Aydar um 4.500 dollar verkauft. Diese haben uns verhört. Im Bataillon Vostok waren sehr viele Russen aus Rußland (meist pensionierte Spezialkräft – Alpha etc.). Da haben die Ukrainer zu viel Respekt bzw. Angst. Es ging sogar so weit, dass sie sich gegenseitig schlugen; jene, die uns bewachten und jene, die uns gerne foltern wollten. Daher kam es nach einigen Tagen zu unserer Übergabe – gegen Bares natürlich – in Charkov. Ein Dank an die Charkover Partisanen, die uns rausgekauft haben.
Ich bin ein aufrichtiger und geradliniger Mensch und sage, was ich denke; egal welche Konsequenzen das mit sich bringt. Du hast ja hören können, was passierte, als mich der DVR-Verteidigungsminister aus der Fassung brachte. Ich habe ihm meine Orden ins Gesicht geworfen und Sachen gesagt, die niemand anderer sagen durfte. Insgesamt habe ich 20 Orden bekommen. Alles außer dem höchsten Orden – der Heldenstern – für den ich vergeschlagen war. Allerdings nach meinem „Duell“ war das dann Geschichte. Aber die Orden sind mir egal. Ich bin nicht wegen Orden und Streifen hierher gekommen.
T: Für die Zuseher. Ich bin im Donbass seit 10 Tagen. Wo immer ich mit Dejan auftauche, überall gehen die Leute auf Dejan zu und zollen ihm unglaublichen Respekt. Sie sehen dich hier wie einen Helden.
D: Ich sehe das nicht so. Ich bin gekommen, um zu kämpfen. Was benötigt ein Kämpfer? Viel Herz, etwas Versand, Tapferkeit und schnelles Auffassungsvermögen in bestimmten Situationen. Ehrlich gesagt; ich sehe mich nicht als Helden. Ich bin gekommen, um zu kämpfen und mache das, wie es sich gehört. Die meisten kursierenden Geschichten stammen von ehemaligen Kameraden (z.B. Invalide oder Verwundete, die nicht mehr mitmachen können etc.) und verbreiten sich in der Stadt. Jeden Augenblick, den ich unter Zivilisten verbringen konnte, habe ich genutzt. Das hilft enorm. Einer unserer (serb.) Freiwilligen in Lugansk hat gemeint, er würde im Schützengraben bleiben, bis er stirbt. Er ist durchgedreht. Man muß abschalten können. Ich habe oft geschrieben oder bin ausgegangen. Schade, dass wir nicht in dieses Kinderheim gehen können. Sie sagen, dass ich ihnen geholfen habe zu überleben, während ich meine, dass sie mir geholfen haben zu überleben. Jeder Besuch des Heimes und das Spielen mit den Kindern, bringt jene Menschlichkeit zurück, die sehr leicht verloren gehen kann. Wir sind „sturmoviki“. Jene, die als erste gehen und das Schlimmste sehen. Die Menschen sterben ringsherum. Das Heim war ein Ventil, das mir sehr geholfen hat.
Beim Rückzug aus Slavansk kamen wir in ein Dorf und überall schlugen Granaten ein. Eine fiel auf ein Haus und tötete einen Jungen. Wir gingen hinein, um zu helfen und er starb – ohne Hände – in meinen Armen. Wir versteckten uns an diesem Tag in dem Dorf. Gegen abend schlug erneut eine Rakete in dasselbe Haus ein. Diesmal starb ein 6-monatiges Mädchen. Brevno und ich setzten uns vor den Hauseingang. Die Granaten schlugen weiterhin um uns ein. Ich nahm ein Stück Papier und schrieb ein Gedicht. Das sind solche Momente, wo du dir nur wünscht, zu sterben, damit alles ein Ende hat. Wenn Kämpfer um dich herum sterben, ist es das eine. Wenn Kinder sterben ganz etwas anderes.
T: Ich habe bemerkt, dass du generell keinen Alkohol trinkst. Allerdings auch, dass ich keinen Uniformierten bisher sehen konnte, der Alkohol trank.
D: Wir haben das schon zu Beginn des Krieges ausgemerzt. Es gibt keinen Alkohol. Bei einigen lassen wir es durchgehen. Allerdings nach vollbrachter Arbeit und dannach ab ins Bett. Sollte ihn ein Kommandant erwischen, gibt es vorab Schläge, dann Gefängnis und Entlassung aus dem Dienst.
Generell werden hier im Gegensatz zu Serbien die Vorschriften eingehalten. Wenn in öffentlichen Gebäuden Rauchverbot ist, dann halten sie sich daran; nicht so wie bei uns.
T: Ich muß ehrlich sagen, dass Donetsk sauberer als Belgrad ist.
D: Die Ukraine war (grob) dreigeteilt. Die Industrieregion um Donetsk; die reichste Region. Eine mittlere (landwirtschaftliche) Region, die ihre Güter hier verkaufte. Und eine Westregion aus der die meisten Freiwilligen stammen. In der Westregion leben die ärmsten Bevölkerungsschichten. Auf die Industrialisierung in den letzten 30 Jahren folgte eine Verbesserung der Lebensqualität; z.B. weitaus bessere Straßen als in der Restukraine, wo sie schlicht eine Katastrophe sind. Die Menschen lernten einfach, ihre Umgebung zu schätzen. Ich konnte beobachten, wie Granaten fielen und kurz darauf Kommunalarbeiter die Straßen säuberten. Ich konnte es nicht glauben. Oder zum Beispiel: der erste Schnee 2014. Wir waren in Aktion an vorderster Front mit einem Auto, dessen Reifen kein Profil mehr hatten. Es fielen 30 cm Schnee und ich bereitete mich vor, im Auto zu übernachten, da ein Weiterkommen auf einer Schneefahrbahn unmöglich war. Als wir zum Auto kamen, waren die Straßen gesäubert! In ganz Donetsk waren die Straßen vom Schnee befreit. Es herrscht Krieg und sie säubern die Straßen! Im Sommer ist ganz Donetsk von Rosen übersät. Im Herbst werden die abfallenden Blätter entfernt. Es fallen Bomben und sie rechen Blätter. Für mich war das sehr beeindruckend. Das hängt alles mit der wirtschaftlichen Entwicklung zusammen. Man will es sauber haben; man kauft bessere Möbel, man kauft bessere Autos, man will bessere Straßen etc.
T: Wie lebt der Normalbürger heute in der DVR?
D: Viele Unternehmen vor Ort arbeiten noch immer für die Ukraine. Sie wurden dem ukrain. Staat nicht weggenommen. Teilweise sind die Schwierigkeiten der DVR, die Waren zu plazieren, mit ein Grund. Die Menschen erhalten ihr Gehalt quasi aus der Ukraine. Das ist ein sinnvoller Kompromiß. Die Stadt funktioniert trotz Krieg. Während es 10 Autominuten entfernt, die Hölle auf Erden ist. Allerdings leben dort keine Menschen mehr. Sie haben sich von der Frontlinie Richtung Innenstadt zurückgezogen.“
Quelle: shaker 2.0